Die Zeit zwischen dem Weihnachtsfest und dem Beginn des Neuen Jahres nutzen viele Menschen für eine persönliche Lebensinventur. Man hält Rückschau auf das Vergangen und fasst Vorsätze für das Kommende. Es ist eine ruhige, manchmal fast schon melancholische Zeit.
Einen besonderen Vorsatz für die Zukunft hat jetzt der aus den Medien bekannte Psychiater und Theologe Dr. Manfred Lütz formuliert. In einem Interview, das das Kölner Domradio am 15.12.2012 ausgestrahlt hat, empfiehlt er, das Weihnachtsfest in den Sommer zu verlegen. Diese These wiederholt er in einer WDR2-Sendung vom 29.12.2012. Dort betont er, dass auf diese Weise der christliche Inhalt wieder in den Vordergrund treten könne. Die „Heiden“ könnten dann im Dezember ihr heidnisches konsumorientiertes Geschenkefest begehen.
Den Einwand, das Schenken drücke doch aus, dass man sich über das Gottesgeschenk des Jesuskindes freue, kontert Lütz im Domradio-Interview marketingstrategisch verblüffend geschickt: „Das ist ein ‚Bluff‘, so heißt auch mein aktuelles Buch. Und dort kommt das Weihnachtsfest in einem Kapitel vor als Zeichen dafür, dass die Finanzwelt inzwischen eine künstliche Welt geworden ist, die die existenzielle, eigentliche Welt platt macht.“ Kurz: Sie können gerne Geld ausgeben, solange Sie mein Buch kaufen!
Einmal abgesehen davon, dass der Vorschlag natürlich offenkundig nicht ernst gemeint ist und Herr Lütz seiner rheinisch-manischen Neigung nachgegeben haben dürfte, ist die verkürzende Darstellung und Unterstellung schon mehr als ärgerlich – und das zu Weihnachten.
Waren am Heiligen Abend die Kirchen nicht wieder voll? Wer will über die Motivation der Menschen urteilen? Oder treibt viele nicht doch das – manchmal unbewusste Wissen – um den eigentlichen Grund des Weihnachtsfestes? Wer sind denn überhaupt die abfällig als „Heiden“ Titulierten? Sind es nicht die, zu denen Gottes Sohn, das „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lukas 2,32), eigentlich gekommen ist?
Nein, Herr Lütz, Sie haben geblufft – oder Weihnachten nicht verstanden. Denn Weihnachten ist wirklich ein Fest der Heiden, dieser Völker aus aller Welt, die Gott zu sich ziehen will. Schließlich waren es schwer mit Geschenken beladene Heiden, die zu den ersten gehörten, die die heilige Familie im Stall zu Bethlehem aufsuchten. Und ein Lichterfest war es auch noch, waren sie doch einem Stern gefolgt. Getauft sind sie übrigens bis heute nicht, auch wenn ihre Gebeine jetzt im Kölner Dom ruhen.
Das im Domradio ausgestrahlte Lütz’sche Weihnachtsverdikt reicht nebenbei bemerkt noch weiter. Dort sagte er: „Außerdem darf aus Weihnachten nicht nur ein Familienfest werden, das ist auch keine ganz christliche Tradition, mehr eine bürgerliche. Eigentlich müssten wir als Christen Einsame, Obdachlose und Bedürftige einladen.“ Vielleicht tun es auch ein paar Heiden! Aber mit guten Vorsätzen ist das ja so eine Sache …
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Neues Jahr,
Ihr
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Ein Beispiel dafür, wie Religion zur Ideologie wird. Aber schön gekontert! In der „Zeit“ war Weihnachten eine wunderbare Reportage, die deutlich machte, dass das Aufzählen von christlichen Inhalten nichts wert ist ohne Orthopraxie, also das rechte Tun: http://www.zeit.de/2012/52/Maria-Josef-Neukoelln